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3.2 Der Leidensweg des Templerordens

Am frühen Morgen des 13. Oktobers 1307 versammelte Nogaret die königlichen Bogenschützen vor den Toren des Tempels in Paris. Seine Schergen hatten leichtes Spiel, die vollkommen überraschten Templer zu überwältigen und in Ketten zu legen. Schlaftrunken fanden sich fast alle Würdenträger des Ordens im eigenen Kerker der Pariser Templerburg wieder und wurden durch strenge Einzelhaft voneinander isoliert. Jacques De Molay sollte noch sieben Jahre in den Gefängnissen von Paris verbringen.

Die minutiös geplante Aktion wurde zu einem Riesenerfolg und überall in Frankreich wurden zur gleichen Stunde die Templerbesitzungen beschlagnahmt und die Ordensbrüder verhaftet. Ganze zwölf Templer konnten den französischen Polizisten entkommen.

Die Verhaftungen wurden unter dem Vorwand der Inquisition vorgenommen; dennoch ließ Nogaret die Templer zuerst von seinen eigenen Leuten verhören, bevor er sie dem Großinquisitor Imbert übergab. So erzwang er von einem Knappen des Großmeisters De Molay ein vermutlich durch Folter beeinflusstes Geständnis, von seinem Meister in einer einzigen Nacht dreimal missbraucht worden zu sein. Doch bei einem erneuten Verhör verstrickte er sich in solche Widersprüche zur ersten Aussage, dass man diese unmöglich als wahr bezeichnen kann.

Nogaret dürfte den Großmeister mit diesen Anschuldigungen erpresst und gezwungen haben, die Anschuldigungen gegen den Orden einzugestehen. De Molay gab zu, bei der Aufnahme Christus verleugnet und das Kreuz bespuckt zu haben, widerrief diese Aussage aber später wieder. Den Vorwurf der Sodomie wies er entschieden von sich.

Zudem zwang ihn Nogaret, seine Brüder zu ähnlichen Aussagen zu bewegen, was er schließlich auch befolgte: "Molay schreibt an alle Ordensbrüder in Frankreich, daß, wie sie von ihren eigenen Aufnahmen wüßten, die Neuaufgenommenen im Orden zur Ableugnung und Beispeiung gezwungen wurden und daß manche Rezeptoren noch 'alias enormitates' hinzufügten. Er befiehlt ihnen, kraft seiner Ordensgewalt, trotz der entgegenstehenden Eide und Gelöbnisse, dem Inquisitor oder seinen Kommissären oder den bischöflichen Ordinarien die reine Wahrheit zu gestehen. In einem von ihm genehmigten und besiegelten Schriftstück gestattet Molay, daß dieses verhängnisvolle Schreiben an alle Ordenshäuser in Frankreich gesandt wurde." Die gehorsamen Tempelbrüder folgten den Anordnungen ihres Meisters. Und als De Molay später seine Aussagen zurücknahm, taten dies auch die meisten seiner Brüder. Andere hatten sich aus Verzweiflung bereits das Leben genommen.

Papst Clemens, der von der ganzen Aktion bisher noch keine Ahnung hatte, wartete drei Tage ab, um ein Konsistorium einzuberufen. Der schriftliche Protest folgte gar erst zwei Wochen später, in dem er Philipp unüblich hart kritisierte:

Ihr habet, geliebter Sohn, - Wir sagen es mit Schmerzen - während Unserer Abwesenheit die Hand auf Personen und Güter der Templer gelegt. Ihr seid so weit gegangen, sie ins Gefängnis zu werfen, und Ihr habt, was unseren Schmerz noch erhöht, sie noch nicht freigelassen. Wir hatten Euch durch Unsere Schreiben mitgeteilt, daß Wir selbst diese Angelegenheit in die Hand genommen. Wir wollten selber die Wahrheit erkunden ... Trotzdem habt Ihr dieses Attentat gegen die Personen und Güter von Männern begangen, die Uns unterstellt sind. In diesem überstürzten Vorgehen kann jedermann ein verwerfliches Verachten von Uns und von der Kirche erkennen. Wir können nicht daran zweifeln, daß Ihr besser heute als morgen Güter und Personen der Templer Unseren Gesandten übergeben werdet.

Zwei Monate mußte er auf eine Antwort warten, denn seine Gesandten wurden vom französischen König einfach nicht empfangen. In dieser Zeit hatte Philipp genügend Zeit, Geständnisse zu sammeln, die er dem Papst später vorlegen konnte. In seinem Antwortschreiben erklärte er sich bereit, die Templer den kirchlichen Untersuchern auszuhändigen, aber eine Freilassung käme auf Grund der zahlreichen Schuldbekenntnisse nicht in Frage. Doch die endgültige Auslieferung der gefangenen Templer sollte noch Monate dauern.

Als der Großinquisitor Imbert schließlich dem entsetzten Papst die Ergebnisse seiner 'Untersuchungen' vorlegte, war dieser tief beeindruckt. Als Anhänger der legistischen Rechtspflege sah er in der Anwendung der Folter ein sicheres Mittel zur Wahrheitsfindung und so wuchs in Clemens der Verdacht, dass der Orden tatsächlich verkommen und verketzert war. Um vollkommene Sicherheit zu erlangen, ließ er seine Geheimkämmerer, die Templer waren, verhören. Aus Furcht vor der Folter gestanden diese die Verbrechen bei der Aufnahmezeremonie und versagten damit ebenso wie andere Würdenträger des Tempels, Molay und Pairaud. Diese verruchten Geständnisse von Männern, mit denen er tagtäglich zusammengearbeitet hatte, überzeugten den Papst schließlich von der Schuld des Ordens.

Dennoch brachte das neue Jahr etwas Hoffnung für die gefangenen Templer. Der Papst setzte den Großinquisitor ab und ordnete eine Neuwahl der Tribunalsform an. Die Ordensbrüder fühlten sich unter dem ihrer Ansicht nach wiederhergestellten Schutz des Papstes sicher und widerriefen die Geständnisse, die sie vor der Inquisition gemacht hatten, unter ihnen Molay und Pairaud.

Philipp konnte diese Entwicklung nicht zulassen und ließ Gerüchte über die Vetternwirtschaft des Papstes im Umlauf bringen, der in der Tat seine Verwandten sehr bevorzugte. Außerdem ließ er ein Gutachten der Pariser Universität Sorbonne erstellen, doch das Ergebnis des Gutachtens unterstützte eher die Kirche als den König. Daher wandte er sich an die Stände.

Beim Treffen der Stände am 5. Mai 1308 in Tours wurden Vertreter gewählt, die den König nach Poitiers, zum Treffen mit dem Papst, zu begleiten hatten. Vorsorglich stellte man einen Katalog zusammen, der folgende geradezu unverschämt wirkende Forderungen stellte: dauernde Niederlassung der Kurie in Frankreich, Verdammung der in Frankreich verhörten Templer, Abhaltung eines Konzils in Frankreich, Kanonisation Papst Coelestins V., Verurteilung Bonifaz' VIII. und Verbrennung seiner Gebeine, Lossprechung Nogarets.

Am 29. Mai traf Philipp in Poitiers ein. Nogarets Vertreter Plaisian provozierte mit ungemein aggressiven Reden: "Dem König verdankt die Kirche mehr als Euch, Heiliger Vater. Wenn also König, Prälaten und Barone, dazu das ganze Volk auf rasche Erledigung diese Geschäftes drängen, dann gefalle es Euch, sie rasch zu vollenden. Sonst müssen wir mit Euch eine andere Sprache reden."

Dennoch konnte der Papst einen mageren Vorteil aushandeln. Philipp willigte in eine weitere Untersuchung der Templeraffäre ein. Zudem verzichtete er großmütig auf die Forderung nach sofortiger Aufhebung des Ordens.

Am 20. Juli reiste der König ab, doch Philipps Ratgeber, der Erzbischof von Narbonne, Nogaret und Plaisians, blieben an der Kurie. Das war ein Grund dafür, dass der Templermeister Molay nie an den Hof des Papstes kam. Clemens hatte nie den Mut, dem unverschämten Nogaret endlich zu sagen, nicht er habe über die christlichen Ritter zu bestimmen, sondern die Kirche. Clemens hätte mit der Forderung nach Überstellung der Gefangenen nur die bereits vertraglich zugestandene Rechtslage hergestellt.

Bis zum 8. August 1309 tat der Papst nichts mehr in der Templeraffäre. An diesem Tag bestimmte er den Vorsitzenden des päpstlichen Tribunals und wählte dafür ausgerechnet Aycelin von Narbonne aus, der die Templer in Poitiers schwer kritisiert und angeklagt hatte. Auch die Wahl des Verhandlungortes Paris fiel denkbar schlecht aus. Gerade dort, wo der Einfluss der königlichen Schergen am stärksten war.

Am 12. November begann der Prozess. Als erstes wurde Pairaud als Zeuge vernommen und ihm folgte Molay, der damit argumentierte, dass er rhetorisch zu ungebildet sei, um den Orden zu verteidigen. Aycelin gab daraufhin die bezeichnende Antwort, man müsse, wenn es sich um die Materie des Glaubens und der Häresie handle, einfach 'in plano' vorgehen. Da brauche es keine Rhetorik und kein Geschrei von Advokaten.

Als man dem Großmeister seine zuvor gemachten Aussagen vorlas, reagierte dieser überrascht und antwortete mit folgendem würdevollen Satz:

Ich wüßte, wie ich mit Euch zu verfahren hätte, wenn Ihr nicht das wäret, was Ihr seid!

Doch trotz seines vehementen Engagements stand der Großmeister hilflos vor den gefühlskalten und unerbittlichen Juristen. Am 28. November wurde er nochmal verhört, doch diesmal kündigte er an, die Aussage zu verweigern, solange er sich noch in Gefangenschaft befinde. Damit wurde der Verhandlungstag abgeschlossen und die nächste Verhandlung auf den 3. Februar des kommenden Jahres anberaumt.

Die zweite Phase schien vorerst gut für die Templer zu verlaufen, viele wagten es die gemachten Aussagen zu widerrufen. Am 28. März 1310 versammelten sich fünfhundertsechzig Templer in Paris, um den Orden zu verteidigen. Sie wählten einen Sprecher, der den Orden vertreten sollte. Der Templer und Jurist Pierre de Bologne, der später erfolgreich fliehen konnte, übernahm die Aufgabe des Prokurators.

Doch ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt starb der Bischof von Sens, zu dessen Bezirk auch Paris gehörte. Sein jetzt zu wählender Nachfolger würde der Vorsitzende der Bischofssynode sein, die über die Templer zu richten hatte. Philipp sah seine Chance und empfahl dem Papst, den Bischof von Cambrai, der ein Bruder seines Ministers Marigny war, zu wählen.

Der Papst wagte nicht zu widersprechen und setzte Marigny als Erzbischof ein. Dieser verurteilte schon am ersten Tag der Synode fünfundvierzig Templer zum Tod am Scheiterhaufen.

Ende 1310 legte die päpstliche Kommission ihre Ergebnisse vor und verweigerten auf Grund der vorliegenden Beweise dem Orden die Verteidigung. Damit blieb dem Templerorden nur mehr das Konzil von Vienne. Doch bis dahin passierte ein Jahr gar nichts.

Das Konzil begann mit seiner ersten Sitzung am 16. Oktober 1311. Der Fall der Templer wurde jedoch nicht vor der gesamten Vollversammlung besprochen, sondern war auf zwei Gremien aufgeteilt, die Papst Clemens zusammengestellt hatte. Doch als der Papst merkte, dass sich die Teilnehmer des Konzils für die Verteidigung des Ordens aussprechen wollten, suchte er nach einer anderen Möglichkeit, um die Templer auszuschalten: der Orden sollte auf dem Verwaltungsweg aufgelöst werden.

Am 3. April 1312 fand in der Kathedrale von Vienne feierlich die entsprechende Sitzung statt und der Papst verkündete die Bulle 'Vox in excelso':

In Anbetracht des schlechten Rufes der Templer, des Verdachtes und der Anklagen, die gegen sie bestehen, in Anbetracht der geheimnisvollen Aufnahme in diesen Orden, der schlechten und Unchristlichen Lebensführung vieler Mitglieder, in Anbetracht des Eides, nichts über die Aufnahme zu offenbaren oder aus dem Orden auszutreten, in Anbetracht des Skandals, der nicht mehr gutzumachen ist, in Anbetracht der Häresie, der Glaube und Seelen ausgesetzt sind, der schrecklichen Untaten einer großen Anzahl der Mitglieder des Ordens, in Anbetracht, daß die Römische Kirche andere berühmte Orden wegen geringerer Motive auflöste, lösen Wir nicht ohne Ritterlichkeit und inneren Schmerz, nicht kraft einer richterlichen Sentenz, sondern durch apostloische Verfügung den sogenannten Orden der Templer mit allen Institutionen auf.

Damit war der Orden der Templer endgültig ausgelöscht. Die Güter des Ordens wurden offiziell den Johanniter übergeben. In Wirklichkeit zahlten die Johanniter dem französischen König eine Million Pfund für die Templerbesitzungen, was ungefähr ihrem Wert entsprach. In den anderen europäischen Ländern behielten die Könige die Besitzungen der Templer ganz für sich.

Noch lebten die beiden Würdenträger des Ordens, Molay und Pairaud, aber Philipp wollte sie als Zeichen seines Sieges vor aller Welt bloßstellen. Durch eine öffentliche Gerichtssitzung am 18. März 1314 vor den Toren von Notre-Dame sollte allen Christen noch einmal vor Augen geführt werden, dass der Orden schuldig und die Verbrechen der Großwürdenträger verabscheuungswürdig und verurteilenswert seien. Der Schauplatz für diese letzte Stunde des einst so ruhmreichen Ordens war gut gewählt. Philipp selbst erklärte die Angeklagten für schuldig und am selben Abend brannten Molay und Pairaud auf dem Scheiterhaufen. Philipp der Schöne und Clemens V. starben noch im selben Jahr.